




Das Neolithikum
Sardinien wurde von den Hochkulturen des Mittelmeerraums seit Jahrtausenden begehrt. Die ersten Siedler erreichten die Insel schon im Neolithikum, also vor rund 7.000 Jahren vermutlich über eine heute nicht mehr existierende Landbrücke.
Die Nuraghenkultur
Die Nuraghenkultur war die erste eigenständige Kultur Sardiniens. Der Name geht auf die massiven Steintürme zurück, die einerseits Wehr- und Kulturbauten sowie Wohnhäusern umgeben waren. Er leitet sich vom sardischen Wort „nurra“ oder „nur“ ab, das so viel bedeutet wie „Steinhaufen“, „Felsenhügel“ oder „Erhöhung“. Vermutlich bezog sich der Begriff ursprünglich auf die auffälligen, turmartigen Steinbauten, die überall in der sardischen Landschaft zu sehen sind. Wo auch immer man sich auf Sardinien aufhält, eine Nuraghe findet sich meist in der Nähe. Rund 7.000 wurden bis heute kartiert.



Die Nuraghenkultur entstand vermutlich um 1800 v. Chr., also zur Bronzezeit. Es war vermutlich eine hoch entwickelte Gesellschaft, die große Erfahrung in der Bronzeverarbeitung aufwies. Erste Dörfer und Heiligtümer wurden gegründet. Weshalb derart viele Nuraghen errichtet worden sind bleibt weitgehend im Dunkeln der prähistorischen Geschichte dieser Kultur. Es darf angenommen werden, dass es sich bei dieser Kultur um eine eher kriegerische gehandelt hat. Ich persönlich vermute, dass die Türme nicht nur Befestigungsanlagen waren sondern auch die Macht der jeweiligen Häuptlinge verkörpern sollten. Viele Funde von Bronzefigürchen zeigen Krieger.
Waren die Nuraghen Teil der ‚Seapeoples‘?
Eine unter Wissenschaftern heftig diskutierte Frage ist, ob. Nuraghenkrieger Teile jener ‚Seapeoples‘ waren, die um 1200 v. Chr. zahlreiche Hochkulturen im Mittelmeerraum zu Fall gebracht hatten wie etwa die Hethiter und Mykenische Hochkultur. Allein an den Ägyptern bissen sich diese Kämpfer vermutlich die Zähne aus. Reliefs im Totentempel Ramses III. zeigen die sogenannten „Sea Peoples“, unter ihnen eine Gruppe mit markanten, oft hornartig wirkenden Helmen, die die Ägypter Šardana / Sherden nennen. Die Reliefs zeigen Krieger mit runden Schilden, Speeren und diesen charakteristischen Helmen.


Zahlreiche Wissenschafter sehen in den Namenssimilaritäten zwischen Šardana / Shardana und „Sard-“ die theoretische Möglichkeit, dass Teile der Seapeoples aus dem westlichen Mittelmeer, eventuell auch von Sardinien, stammen konnten.
Ihr Niedergang der Nuraghen begann um 800 v. Chr., als die Insel zunehmend von phönizischen Händlern beeinflusst wurde. Mit deren Ausbreitung verlor die Nuraghenkultur allmählich ihre Eigenständigkeit und ging schließlich in den neuen mediterranen Kulturen auf.
Die Phönizier
Die Händler aus der Levante dürften bereits im 9. Jahrhundert v. Chr. Sardinien erreicht haben. Sie gründeten die ersten Handesstützpunkte in Tharros, Nora und Sulci, deren Häfen windgeschützt und ideal waren, Handel zu starten und zu betreiben.
Ihr Interesse galt vor allem den Metallen Silber, Blei und Kupfer, die bereits von den Nuratgen abgebaut wurden. Sie errichteten Werkstätten und Schmelzöfen nahe ihren Hafenstädten wie Nora, Tharros und Sulci (die heutige Insel Antiocia), nutzten lokale Arbeitskräfte und exportierten die Metalle über ihre weitgespannten Handelsrouten bis nach Karthago und Tyros. Unter karthagischer Kontrolle wurde der Abbau später zentral verwaltet und militärisch gesichert. Nicht genug damit: sie gründeten auch die ersten Werkstätten auf der Insel und prägten mit ihrem handwerklichen Können die Kultur der Insel nachhaltig. Eigentlich bis in die heutigen Tage.
Der Name ‚Sardinien‘ geht auch auf die Phönizier zurück, die die Schrift auf die Insel brachten. Der Name wurde erstmals auf einer Stele genannt, die im archäologischen Museum in Cagliari zu besichtigen ist.


Ab dem 6. Jahrhundert v. Chr. kamen die Handelsstationen und Siedlungen der Phönizier in den Einflussbereich von Karthago. Nun begann die punische Epoche. Die damals mächtige Stadt in Nordafrika übernahm die phönizischen Handelsstützpunkte. Jetzt entstanden erste befestigte Städte und Tempel. Der Handel erlebte eine neue Blüte.
Die punische Epoche
Die punische Epoche begann im 6. Jahrhundert v. Chr., als Karthago, die mächtige phönizische Stadt in Nordafrika Handelsstützpunkte der Phönizier auf Sardinien übernahm. Damit wurde die Insel Teil des karthagischen Einflussbereichs und entwickelte sich zu einem wichtigen Stützpunkt im westlichen Mittelmeer.
In dieser Zeit entstanden gut befestigte Städte, neue Tempel und ein reger Handel mit Metallen, Wein und Olivenöl. Karthago brachte auch eine geordnete Verwaltung und neue landwirtschaftliche Techniken auf die Insel. Das Alltagsleben war von einer Mischung aus phönizischen, einheimischen und karthagischen Elementen geprägt.
Die punische Herrschaft dauerte bis ins 3. Jahrhundert v. Chr., als Rom im Zuge der Punischen Kriege die Kontrolle über Sardinien übernahm. So endete die karthagische Zeit – und die Insel trat in ihre römische Epoche ein.
Die römische Epoche
Sardinien war schon sehr früh im Visier Roms. Spätestens ab dem 3. Jahrhundert wurden dort Kolonialisierungspläne gewälzt. Mit ihrem Sieg über Karthago im Ersten Punischen Krieg (264-241 v. Chr.) nutzten die Römer die Gunst der Stunde und besetzten 238 v. Chr. die Insel. Das geschwächte Karthago konnte nicht dagegen halten und die in Sardinien ansässigen Völker standen quasi zwischen den Fronten.
Die Sardische Resilienz machte sich damals bereits bemerkbar. Immer wieder kam es zu Aufständen der Nachfahren der Nuragher im gebirgigen Binnenland. Die Römer nannten sie geringschätzig Sardi Pelliti, die ‚barfüßigen Sarden‘. Unter Kaiser Augustus konnte Rom die Insel schließlich vollständig kontrollieren und befrieden.
Die Römer taten auf Sardinien, was sie in allen Kolonien taten: zuerst die Metallvorkommen sichern, dann Weideland und Getreidefelder anlegen plus Wein und Oliven anbauen. Zuguter letzt Veteranen ansiedeln. Die strategische Lage tat ein Übriges, die Insel zu einer Provinz zu erklären. Ihr Name: „Sardinia et Corsica“. Was damals Sardinien für die Veteranen war ist es heute für die Pensionisten: Ein Sehnsuchtsziel. Mit den einstigen Kämpfern setzte sich die römische Kultur, Sprache und Verwaltung fest. Städte wie z.B. Carales (Cagliari) und Häfen wie Turris Libisonis (Porto Torres) oder Nora wurden nach römischem Vorbild angelegt.
Interessant ist auch, dass die Insel zum Verbannungsort missliebiger Politiker und Philosophen wurde. Eine Praxis, die sich knapp 2.000 Jahre später wiederholen sollte, als unter dem Faschisten Mussolini unliebsame Bevölkerungsgruppen auf der Insel angesiedelt wurden.
Rund 800 Jahre dauerte das römische Zwischenspiel auf Sardinien, das beginnend im 5. Jahrhundert n. Chr. mit dem Einfall der Vanalen beendet wurde. Später entdeckte Byzanz die Insel, wovon noch einige uralte Kirchen zeugen. Aus einem archaischen, vielfach autonomen Landstrich wurde eine fest in das Mittelmeerreich integrierte Provinz. Die Spuren dieser Epoche – von Städten über Straßen bis zu Inschriften – prägen die Insel bis heute.